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Für Anfänger
Komponisten

Matthäus-Passion

Komponist: Bach Johann Sebastian

Instrumente: Stimme Sopran Alt Tenor Bass Mixed chorus Orchester

Tags: Passion Geistliche Musik Sacred oratorios Oratorium

#Instrumentalstimmen
#Arrangements

Kostenlose Partituren herunterladen:

Complete. Part I PDF 8 MBComplete. Part II PDF 9 MBComplete. Recitativo: "Mein Jesus schweigt zu falschen Lügen stille" PDF 0 MB
Complete. Part I PDF 40 MBComplete. Part II PDF 44 MB
Complete. Complete Score PDF 21 MB
Complete. Complete Score PDF 11 MBComplete. Complete Score (bar numbers added) PDF 11 MB
Complete. Preliminaries, Part I PDF 15 MBComplete. Part II PDF 17 MB
Aria: 'Aus Liebe will mein Heiland sterben' (Part II, No.58). Complete Score, original clefs PDF 0 MBAria: 'Aus Liebe will mein Heiland sterben' (Part II, No.58). Complete Score, Soprano in G clef PDF 0 MB
Selections. Collection of 12 Chorales PDF 0 MBSelections. Complete texts PDF 0 MB
Complete. Complete Score PDF 16 MB
Selections. Collection of 11 Chorales PDF 2 MBSelections. Meinen Jesum laß ich nicht (Part I, Finale) PDF 0 MB
Aria: 'Aus Liebe will mein Heiland sterben' (Part II, No.58). Complete Score, all parts in G clefs PDF 0 MB
Recitative: 'Am Abend da es kühle war' (Part II, No.74). Complete Score PDF 0 MB
Selections. Recitative: Am Abend da es kühle war (Part II, No.74) PDF 0 MB
Aria: 'Erbarme dich, mein Gott' (Part II, No.47). Complete Score PDF 0 MB
Complete. Complete Score PDF 62 MB
Complete. Complete Score PDF 18 MB
Complete. Complete Score PDF 13 MB
Aria: 'Mache dich, mein Herze, rein' (Part II, No.65). Complete Score and Parts PDF 0 MB
Complete. Complete Score PDF 61 MB
Complete. Complete Score PDF 22 MBComplete. Part 1 PDF 10 MBComplete. Part 1 (lower quality) PDF 9 MBComplete. Part 2 PDF 12 MBComplete. Part 2 (lower quality) PDF 11 MBComplete. Anhang: 29a. Jesum laß ich nich von mir PDF 0 MBComplete. Anhang: 57. Komm süßes Kreuz, so will ich sagen PDF 0 MB

Instrumentalstimmen für:

Alt
AlleVioloncelloViolineOrganOboeFlöteFagottCembaloBratscheBlockflöte

Arrangements:

Andere

Selections. Klavier (Arthur Willner)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Violoncello + Klavier (Philipp Roth)Selections. Organ (Marc Boniteau)Complete. Klavier (Selmar Bagge)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Klavier (Salomon Jadassohn)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Akkordeon + Orchester (De Bra, Paul)Complete. Klavier (Salomon Jadassohn)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Klavier (Louis Köhler)Complete. Klavier (Salomon Jadassohn)Aria: Ich will dir mein Herze schenken (Part I, No.19). For Double Reed Quartet (Notenschreiber). (Notenschreiber)Complete. Zu vier Händen (Salomon Jadassohn)Aria: 'Aus Liebe will mein Heiland sterben' (Part II, No.58). Flöte(4) (Hideo Kamioka)Final Chorus (Part II, No.78). For Double Reed Quartet (Notenschreiber). (Notenschreiber)Selections. For Double Reed Quartet (Notenschreiber). (Notenschreiber)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Flöte (Alici, Guido)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Organ (Righetti, Benjamin)Choral: 'O Haupt voll Blut und Wunden' (Part II, No.63). Gitarre (Alink, Bert)Selections. Organ (Schaab, Robert)Chorale: Ich will hier bei dir stehen (Part I, No.23). Männerchor (Glenn O'Brien)Coro: Kommt, ihr Töchter (Part I, No.1). Violoncello(2) + Bratsche(2) + Violine(3) (Russ Bartoli)Befiehl du deine Wege (Part II, No.53). Flöte(5) (Hideo Kamioka)Aria: Ich will dir mein Herze schenken (Part I, No.19). Organ + Trompete (Rondeau, Michel)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Organ (Alain Brunet)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Flöte + Klavier + Stimme (JanHerman Verpoorten)Aria: 'Erbarme Dich' (Part II, No.47). Gitarre + Mundharmonika (Marcoux, Jean-François)Final Chorus (Part II, No.78). Klavier (Viktors Berstis)Aria: 'Aus Liebe will mein Heiland sterben' (Part II, No.58). Gitarre + Mundharmonika (Marcoux, Jean-François)Aria: Gebt mir meinem Jesum wieder (Part II, No.42). Klavier (Michael Zadora)Aria: Ich will bei meinem Jesu wachen (Part I, No.26). Organ (Alain Brunet)Selections. Organ (Schaab, Robert)Chorale: Wer hat dich so geschlagen (Part II, Nos.37/44). Mixed chorus (Sothilander, Georg L.)Choral: 'O Haupt voll Blut und Wunden' (Part II, No.63). Orchester (Philip Gordon)
Wikipedia
Die Matthäus-Passion, BWV 244, ist eine oratorische Passion von Johann Sebastian Bach. Der Bericht vom Leiden und Sterben Jesu Christi nach dem Evangelium nach Matthäus bildet das Rückgrat. Ergänzt wird er um eingestreute Passionschoräle und erbauliche Dichtungen von Picander in freien Chören und Arien. Die Matthäus-Passion und die Johannes-Passion sind die beiden einzigen vollständig erhaltenen authentischen Passionswerke von Bach. Mit über 150 Minuten Aufführungsdauer und einer Besetzung von Solisten, zwei Chören und zwei Orchestern ist die Matthäus-Passion Bachs umfangreichstes und am stärksten besetztes Werk und stellt einen Höhepunkt protestantischer Kirchenmusik dar. Die Uraufführung fand am 11. April 1727 in der Thomaskirche in Leipzig statt. Nach Bachs Tod geriet das Werk in Vergessenheit. Die Wiederaufführung in einer gekürzten Version unter Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 leitete die Bach-Renaissance ein.
In der christlichen Gemeinde erhielt die biblische Passionsgeschichte von Anfang an großes Gewicht, da dem Leiden und Sterben Christi zentrale Bedeutung zukam. Diese Bibelabschnitte erfuhren in der Feier der Eucharistie und in der Liturgie des Kirchenjahrs durch einen feierlichen Vortrag besondere Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich seit dem 5. Jahrhundert erfolgte eine Dramatisierung durch eine Verteilung auf verschiedene Rollen (Evangelist, Jesus, Pontius Pilatus und andere). Heinrich Schütz wies diesen Personen unterschiedliche Stimmen zu und ließ die Menschengruppen als mehrstimmigen Chor auftreten. In Süddeutschland entstand gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Tradition, den Passionsbericht durch Choräle, die von der Gemeinde gesungen wurden, zu unterbrechen. Freie poetische Stücke wie Choräle und Arien wurden ab dem 17. Jahrhundert eingefügt.
Im ausgehenden Barock wurde das Passionsgeschehen auf drei unterschiedliche Arten vertont: durch die Passionskantate, das Passionsoratorium als freie Nachdichtung und die „oratorische Passion“. Bach entschied sich bei der Johannes- und der Matthäus-Passion für die letztere Gattung. Während eines Zeitraums von etwa 100 Jahren (1669–1766) bestand in Leipzig die Tradition, die Passionstexte im Morgengottesdienst feierlich zu rezitieren, indem der Evangelientext in der Art des Gregorianischen Chorals gesungen wurde. Erst im Jahr 1717 wurde in der Neuen Kirche das polyphone Singen („figuraliter“) erlaubt, 1721 in St. Thomas, 1724 in St. Nikolai, danach abwechselnd in den beiden Hauptkirchen. Die Passionsmusik fand im vier- bis fünfstündigen Vespergottesdienst ab 14 Uhr ihren Ort, nachdem der Frühgottesdienst von 7 bis 11 Uhr stattgefunden hatte. Im Gegensatz zur heutigen Aufführungspraxis waren Bachs Passionen Bestandteil des Gottesdienstes und nicht als Konzertmusik gedacht.
Wurde bis 1975 das Jahr 1729 als Entstehungsjahr angenommen, so ist mittlerweile weitgehender Konsens, dass die Erstaufführung der Matthäus-Passion am Karfreitag des Jahres 1727 stattfand, also am 11. April 1727. Bereits Carl Friedrich Zelter hatte in einem Kommentar zur Wiederaufführung zum 100. Jubiläum der Passion durch Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 die Frage aufgeworfen, „…ob diese Auffuehrung die allererste gewesen? besagt der alte Kirchentext des genannten Jahres nicht“. 1975 wies Joshua Rifkin nach, dass die Uraufführung 1727 war und am Karfreitag des Jahres 1729 die Passion schon zum zweiten Male auf dem Programm stand. So wurde die Matthäuspassion im Jahr 1736 und möglicherweise auch 1740 (oder 1742) in einer überarbeiteten Fassung gespielt.
Mit dem Datum 1727 ist auch das Verhältnis zu der verschollenen und u. a. 2010 von Alexander Ferdinand Grychtolik rekonstruierten Kantate Klagt, Kinder, klagt es aller Welt (BWV 244a), der sogenannten Köthener Trauermusik (für Fürst Leopold von Anhalt-Köthen), geklärt. Die fürstliche Trauermusik kam am 24. März 1729 zur Aufführung. Parodievorlage ist hier also die Matthäus-Passion, aus der Bach zwei Chöre und sieben Arien übernahm. Vor diesem Hintergrund lässt sich die verbreitete Vorstellung, Bach habe seine geistliche Musik nie ins Weltliche parodiert, nicht halten. Allerdings ist eine fürstliche Trauermusik auch nicht zwingend als profan einzuordnen; die Trauermusik mischt geistliche und weltliche Aspekte. Zudem werden pragmatische Gründe vermutet: Da der Text vorher genehmigt und die Musik einstudiert werden musste, hatte Bach keine Zeit für eine komplette Neukomposition.
Bach hatte sich 1723 bei seinem Amtsantritt vertraglich verpflichtet, die Kirchenmusik so zu gestalten, „daß sie nicht zulang währen, auch also beschaffen seyn möge, damit sie nicht opernhafftig herauskommen, sondern die Zuhörer vielmehr zur Andacht aufmuntere.“ Nachdem Bach 1724 seine Johannes-Passion zum ersten Mal und 1725 in überarbeiteter Fassung aufführte, dirigierte er 1726 die Markus-Passion von Friedrich Nicolaus Bruhns (1702), die er um Choräle ergänzte und für die Leipziger Praxis anpasste. Die Matthäus-Passion übertrifft Bachs Johannes-Passion um ein Drittel der Länge und durch die doppelchörige Anlage. Zu Bachs Lebzeiten wurde sie einige Male aufgeführt, jedoch ist keine einzige Reaktion vonseiten der Kirchengemeinde, der Stadt Leipzig oder Musikliebhabern überliefert. Weder in der Lokalpresse noch bei Bach nahestehenden Personen findet sich ein Hinweis auf eine Aufführung oder die Bedeutung des Werkes. Anscheinend wurde das Werk von den Zeitgenossen weitgehend ignoriert.
Die heute als gültig betrachtete und den meisten heutigen Aufführungen zugrunde liegende Werkfassung stammt von 1736. Sie liegt in einer Reinschrift aus der zweiten Hälfte der 1730er Jahre vor, die als Bachs schönstes und sorgfältigstes Autograph gilt und auf die große Bedeutung hinweist, die er selbst dem Werk beimaß. Die Symbolik der Verwendung roter Tinte für das reine Bibelwort und den Eingangschoral „O Lamm Gottes unschuldig“ ist für ihn einzigartig. Carl Philipp Emanuel Bach erbte nach dem Tod des Vaters diese und zahlreiche andere Handschriften, die anschließend in den Besitz des Privatgelehrten Georg Poelchau gelangten. Die Partitur gehört heute der Staatsbibliothek zu Berlin und zählt zu ihren kostbarsten Originalhandschriften. Als aufwändig und kostenintensiv gestaltete sich die Konservierung mittels des Papierspaltverfahrens.
Die Frühfassung der Matthäus-Passion BWV 244b aus dem Jahr 1729 folgt einer erst jüngst ausgewerteten Partiturabschrift von Johann Christoph Farlau etwa aus den Jahren 1755/1756, die sich heutzutage ebenfalls in der Staatsbibliothek zu Berlin befindet. Sie wurde erstmals im März 2000 durch den Thomanerchor und das Gewandhausorchester unter Thomaskantor Georg Christoph Biller im japanischen Sapporo wiederaufgeführt und ist seit März 2007 in einer Einspielung mit diesen Ensembles vorhanden. In der Frühfassung ist die Teilung der zwei Chöre – sie betrifft auch die Instrumente – noch nicht vollständig vollzogen, denn beide Chöre nutzen eine gemeinsame Continuopartie mit einer Orgel. Außerdem hat Johann Christoph Farlau die Begleitung der Evangelistenpartie noch in langen Noten ausgeschrieben – so wie Bach selbst auch noch bei der Partitur der späteren Fassung verfuhr, während er bei den Einzelstimmen kürzere Noten angab. In der Erstfassung ist der spätere Choral Nr. 23 „Ich will hier bei dir stehen“ ersetzt durch die Strophe „Es dient zu meinen Freuden“. Die gravierendste Änderung nahm Bach am Schluss des ersten Teils vor: Anstelle der großräumig angelegten Choralbearbeitung „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ (Nr. 35), die ursprünglich die Johannes-Passion einleitete, erklang in der Erstfassung der Matthäus-Passion der schlichte Choral „Jesum lass ich nicht von mir“. In nahezu jedem Satz der Passion finden sich zudem Detailunterschiede in Notentext, Textunterlegung oder Besetzung. So wird die Eingangsarie des zweiten Teiles vom Bass gesungen, in Arioso und Arie „Ja freilich will in uns das Fleisch und Blut“/„Komm, süßes Kreuz“ wird anstelle einer Gambe eine Laute verlangt. Im Eröffnungschor ist fraglich, ob der von Bach eingefügte Cantus-firmus-Choral „O Lamm Gottes unschuldig“ 1729 überhaupt gesungen wurde, da er hier außerdem als instrumentales Zitat in den Holzbläsern erklingt. Außerdem übernehmen im Arioso „O Schmerz!“ Traversflöten die Partien der in der Spätfassung ausschließlich hier eingesetzten Blockflöten.
Einige Kantionalsätze der Matthäus-Passion erschienen in Choralsammlungen, die Carl Philipp Emanuel Bach herausgab. Er selbst übernahm neben wenigen Sätzen aus anderen Werken seines Vaters drei Choräle und sieben Chorsätze aus der Matthäus-Passion für sein Passions-Pasticcio, das zwischen 1769 und 1787 mehrfach in Hamburg aufgeführt wurde.
Ab 1829 kam es zu einer Bach-Renaissance mit der erstmaligen Wiederaufführung der Matthäus-Passion nach Bachs Tod in einer etwa auf die Hälfte gekürzten Version, dirigiert von Felix Mendelssohn Bartholdy mit der Sing-Akademie zu Berlin, die etwa 150 Sänger umfasste, und wenige Wochen danach in Frankfurt am Main mit dem Cäcilien-Verein. Insbesondere Arien und Choräle wurden zugunsten der dramatischen Teile gestrichen, einige Sätze uminstrumentiert, im Gegensatz zu den Aufführungen von Zelter der Text aber nicht umgedichtet. Mendelssohn Bartholdy lag eine Abschrift der originalen Partitur Bachs vor. Er selbst begleitete die Rezitative auf einem Hammerflügel, da keine Orgel zur Verfügung stand. Eine erste Drucklegung des Werkes erfolgte 1830 durch den Verlag Schlesinger. Nach 1829 wurden Bachs Werke in Konzerten bis 1840 jährlich gespielt, danach unregelmäßig. Die weitere Rezeption im 19. Jh. verlief mühsam und keineswegs kontinuierlich. 1865 fand die Wiener Erstaufführung statt, wobei der Kammersänger Gustav Gunz den Evangelisten sang. Mendelssohn Bartholdys Engagement für die Musik Bachs rief einer breiten Öffentlichkeit dessen Bedeutung in Erinnerung und trug zur Gründung der Bach-Gesellschaft Leipzig im Jahr 1850 bei. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die Matthäus-Passion als Bestandteil der kommerziellen Konzerte des städtischen Bürgertums fest etabliert, wobei ein sinfonisches Klangbild angestrebt wurde. Im ganzen 19. Jahrhundert waren Kolossalbesetzungen mit 300 bis 400 Musikern die Regel. Erst 1912 kam es zu einer Aufführung in der ungekürzten Fassung, die heute die Regel ist.
Im Jahr 1921 schlug Ferruccio Busoni eine szenische Aufführung der Matthäus-Passion vor, nachdem eine erste Inszenierung bereits von dem englischen Regisseur und Bühnenbilder Edward Gordon Craig im Jahr 1914 geplant war, aber wegen Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht umgesetzt werden konnte. Busoni zufolge seien die Arien für diesen Zweck weitgehend zu streichen, da sie „die Handlung ungebührlich aufhalten und […] unterbrechen“. Er entwarf ein Bühnenbild auf zwei Ebenen, vergleichbar der Piscator-Bühne, um mehrere Vorgänge gleichzeitig darstellen zu können, mit einer Kanzel im Zentrum und einer gotischen Kathedrale an beiden Seiten für den Chor. Im Jahr 1930 gab Max Eduard Liehburg ein Drehbuch für die Inszenierung der beiden großen Passionen Bachs heraus, das drei Ebenen vorsah. Keiner dieser Entwürfe wurde realisiert. John Neumeier führte die Matthäus-Passion 1981 in Hamburg als Ballett auf, dessen Choreografie als richtungsweisend gilt.
Im Jahr 1949 wurde die Matthäus-Passion zum ersten Mal verfilmt, und zwar von Ernst Marischka; eine zweite Verfilmung nahm Max Simonischek 2006 vor.
Niederschlag fand „Mache dich, mein Herze, rein“ auch in der populären Musik: Michel Magne komponierte 1962 nach dem Bachschen Vorbild für den Vadim-Film „Repos du Guerrier“ das später von der französischen Sängerin Frida Boccara weltweit bekannt gemachte Chanson „Cent Mille Chansons“.
Im 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche höchst unterschiedliche Aufnahmen mit namhaften Dirigenten und Künstlern (u. a. in moderner Aufführung: Wilhelm Furtwängler, Karl Richter, Otto Klemperer, Rudolf Mauersberger, Peter Schreier, Helmuth Rilling, Georg Solti, Enoch zu Guttenberg, Karl-Friedrich Beringer und in Historischer Aufführungspraxis: Nikolaus Harnoncourt, Gustav Leonhardt, Ton Koopman, John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Masaaki Suzuki, Jos van Veldhoven). Sie zeigen das große Spektrum von Interpretationsmöglichkeiten auf, das von herkömmlichen Besetzungen bis hin zu Monumentalfassungen in romantischer Tradition oder zu kleinen Besetzungen als Ausdruck historischer Aufführungspraxis reicht. Versuche in den 1980er Jahren, bei der Passionsaufführung den liturgischen gottesdienstlichen Rahmen wiederherzustellen, blieben Einzelfälle.
Das monumentale dramatisch-epische Werk entfaltet seine beeindruckende stereophone Wirkung durch die doppelte Anlage von Chor und Orchester, bei der die Chöre vielfach miteinander einen Dialog führen. Gerahmt werden die beiden Teile des Werkes jeweils durch groß angelegte Eingangs- und Schlusschöre, von denen der überwältigende Eingangschor herausragt und ohne Parallele geblieben ist. Dazwischen gibt es vielfach kontemplative Arien von überschaubarer Länge, die das Leiden Jesu verinnerlichen. Zwischen Rezitativen, Chören und Arien sind die Choräle eingearbeitet, die auf die dramatischen Höhepunkte der Handlung Bezug nehmen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Choral O Haupt voll Blut und Wunden von Paul Gerhardt, der mit verschiedenen Strophen und Harmonisierungen insgesamt fünf Mal erklingt und dem Werk Geschlossenheit verleiht.
Das Werk besteht aus einem etwas kürzeren ersten Teil, der von den Mordplänen des jüdischen Synhedrions, Jesu Salbung in Bethanien, dem letzten Passahmahl und der Gefangennahme in Gethsemane handelt, und einem umfangreicheren zweiten Teil, der von dem Verhör vor dem jüdischen Rat, der Verleugnung des Petrus, der Verurteilung durch Pilatus, Jesu Verspottung, sowie der Kreuzigung, dem Tod und Begräbnis berichtet. Zwischen beiden Teilen wurde zu Bachs Zeiten die Predigt von etwa einer Stunde Dauer gehalten.
Picander gliederte seine Dichtung durch Überschriften in 15 Szenen, während die traditionelle Einteilung der Passionsgeschichte von fünf Akten ausgeht: Garten, Priester, Pilatus, Kreuzigung und Grablegung. In Bachs Matthäus-Passion sind derartige Abschnitte zwar noch erkennbar, treten jedoch angesichts der Einheit der Gesamtanlage in den Hintergrund. Bach selbst überschrieb die Passion mit dem Titelblatt seiner Reinschrift (Großteil 1736) Passio Domini Nostri J. C. Secundum Evangelistam Matthaeum Poesia per Dominum Henrici alias Picander dictus Musica di G. S. Bach Prima Parte („Passion unseres Herrn Jesus Christus nach dem Evangelisten Matthäus, Dichtung von Henrici, Picander genannt, Musik von J. S. Bach, erster Teil“) und den zweiten Teil mit Passionis D. N. J. C. secundum Matthaeum a due Cori Parte Secunda („Passion unseres Herrn Jesus Christus nach Matthäus für zwei Chöre, zweiter Teil“).
Der fortlaufende Bibeltext aus dem Matthäusevangelium wird von Bach in 28 Abschnitte aufgeteilt, die durch die Choräle und freien Dichtungen unterbrochen werden, um auf diese Weise die Zeit aufzuheben und die Distanz zwischen dem einmaligen Passionsgeschehen und der Gegenwart der Zuhörer zu überwinden. In seiner Matthäus-Passion setzt Bach dieselben Formelemente ein wie in seiner Johannes-Passion und den Oratorien (Weihnachtsoratorium, Himmelfahrts-Oratorium und Oster-Oratorium). Durch die Länge und die vielen erzählenden Abschnitte liegt allerdings ein stärkerer Akzent auf dem Epischen.
Häufig verknüpfen Stichwortverbindungen den Bibeltext mit den Arien und den Chorälen, sodass nicht der Eindruck einer Abfolge von Einzelstücken wie bei der Nummernoper, sondern ein geschlossenes Ganzes mit einem sich entwickelnden Handlungsablauf entsteht. Zum anderen wird die Brücke zum Heute geschlagen. So beantwortet der Choral Nr. 16 die Frage der erschrockenen Jünger nach dem Verräter („Herr, bin ich’s?“) mit: „Ich bin’s, ich sollte büßen“ und bezieht sie auf den Hörer. In ähnlicher Weise wird der Aufforderung Jesu an die müden Jünger „bleibet hie und wachet mit mir!“ (Nr. 24) im folgenden Rezitativ entsprochen („wie gerne blieb ich hier!“) und in der Arie Nr. 26 dem Gläubigen die Antwort in den Mund gelegt: „Ich will bei meinem Jesu wachen“, während Chor II flankiert: „so schlafen unsre Sünden ein“. Den letzten Worten im Rezitativ Nr. 30, auch im Leiden dem Willen seines himmlischen Vaters zu gehorchen („so geschehe dein Wille“), folgt der Choral Nr. 31: „Was mein Gott will, das gscheh allzeit, sein Will, der ist der beste“, der die Gemeinde zu ebensolchem Vertrauen ermutigt. Die verhöhnende Frage „wer ists, der dich schlug?“ nimmt der Choral Nr. 44 auf: „Wer hat dich so geschlagen“. Als Pilatus angesichts der offensichtlichen Unschuld Jesu fragt: „Was hat er denn Übles getan?“, gibt das Accompagnato Nr. 57 die Antwort „Er hat uns alles wohlgetan […]“ und zählt einige gute Taten beispielhaft auf, um mit dem Ergebnis zu schließen: „Sonst hat mein Jesus nichts getan“. Auf die Misshandlungen Jesu durch die Soldaten („und schlugen damit sein Haupt“) folgt der Choral Nr. 63 „O Haupt voll Blut und Wunden“.
Die drei unterschiedlichen Textgattungen des Librettos finden jeweils in eigenen Kompositionsformen ihre äußere Gestalt: (1) Bibeltexte bilden die Textvorlage für die Rezitative und die Bibelwort-Chöre und stehen für die dramatischen Momente. Das Bibelwort hat die Funktion der Erzählung (narratio). (2) Freie Dichtungen begegnen in den Accompagnato-Rezitativen, in denen das Geschehene erklärt und theologisch gedeutet wird (explicatio), während in den Arien und freien Chören die Meditation und Aneignung (applicatio) erfolgt. (3) Kirchenliedtexte verwendet Bach in den Choralsätzen für den Chor, die der Gemeinde als zusammenfassende Bestätigung und vorformulierte Antwort dienen. Im Einzelnen finden sich in der Matthäus-Passion folgende musikalische Formen:
Das Stück wurde für mehrere Vokalsolisten, zwei Orchester und zwei vierstimmige Chöre geschrieben, jeweils mit den Gesangsstimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass). Im Eingangschor kommt eine weitere Sopranstimme hinzu. Als Instrumente sind an Holzbläsern 2 Traversflöten – in Nr. 25 stattdessen 2 Blockflöten – und 2 Oboen – in Nr. 25, 57/58, 69/70, 75 stattdessen Oboen da caccia und in Nr. 18/19, 35, 36, 46 stattdessen Oboen d’amore – vorgesehen. An Streichinstrumenten kommen 2 Violinstimmen, Bratsche, Viola da gamba (Nr. 40/41, 65/66, statt einer Laute in der Frühfassung) zum Einsatz, und für die Continuo-Gruppe Cello, Violone und Orgel als Basso continuo. Umstritten ist der Einsatz eines Fagotts für das Continuo. Blechblasinstrumente werden einer Passionsvertonung als nicht angemessen betrachtet und kommen in Bachs Passionen nicht zum Einsatz. Heute werden die beiden Ensembles oft nebeneinander als Doppelchor und -orchester aufgestellt; die Solisten können die Partien in beiden Ensembles übernehmen.
Unklar ist, inwieweit Bach in der ersten Fassung eine getrennte räumliche Aufstellung vorgesehen hatte, um die dialogischen Strukturen zu verdeutlichen. Erst 1736 nahm Bach eine vollständige Trennung beider Klangkörper vor. Eine Notiz des Thomasküsters J. C. Rost weist darauf hin, dass das Werk 1736 mit beyden orgeln aufgeführt wurde. Die kleine schwalbennestartige Ostempore bot bei dieser Aufführung nur dem Soprano ripieno Platz, sodass beide Chöre und das Doppel-Orchester auf der westlichen Hauptempore der Thomaskirche musizierten. Dass Bach 1740 die zweite Continuo-Orgel durch ein Cembalo ersetzte, wird in der Regel als Notbehelf gedeutet. In diesem Jahr wurde die zweite Orgel abgetragen. Es ist davon auszugehen, dass Bach bei derart großen Besetzungen neben den Chorsängern, die teils auch Instrumente zu spielen hatten, auf Studenten, Stadtmusiker, Familienmitglieder und Musikliebhaber zurückgriff. Die heutige Aufführungs- und Aufstellungspraxis kann sich von Dirigent zu Dirigent erheblich unterscheiden.
In der Reinschrift der Fassung von 1736 erscheint die Choralmelodie in den Sätzen 1 und 35 jeweils mit roter Tinte und untextiert. Das originale Stimmenmaterial verlangt zusätzlich einen textierten Soprano in ripieno. Für die Besetzung des Ripienochors gibt es eine moderne Aufführungstradition mit Knabenstimmen (als Gegensatz zu den Frauenstimmen in den zwei Chören), die aber in keiner Beziehung zu den ursprünglichen Intentionen Bachs steht, der ohnehin in der Kirche ausschließlich Knabensoprane (beziehungsweise falsettierende Männerstimmen sowohl für Sopran und Alt) einsetzte. In Bachs erster Fassung des Werks von 1727 wurde diese Stimme von den hohen Holzbläsern übernommen.
Die Matthäus-Passion sieht – außer den Solostimmen für die Rezitative und Arien (Sopran, Alt, Tenor, Bass, verteilt in zwei Chori) – die folgenden Rollen-Solopartien vor:
Häufig werden sechs eigentliche Solisten (4 Accompagnato-Arien-Solisten – unabhängig vom Chorus –, ein weiterer Tenor – Evangelist – und ein weiterer Bass – Jesus) eingesetzt und die restlichen Soli (die Partien der sogenannten Soliloquenten) von Chormitgliedern übernommen. Gelegentlich übernimmt der Evangelist auch die Tenorarien. Im originalen Stimmenmaterial von Bach wird jedoch genau zwischen den Chori (vokal und instrumental) unterschieden. Dabei übernehmen der Evangelist und Christus den Tenor bzw. den Bass des ersten Chorus. Auch die Arien sind bei Bach immer einem der beiden Ensembles (Chorus I oder II) zugeordnet. Bereits 1920 ging Arnold Schering davon aus, dass Bach in der Regel mit zwölf Sängern auskommen musste. Doch erst die Alte-Musik-Bewegung verfolgte diesen Ansatz. Spätestens seit Philippe Herreweghes erster Einspielung von 1985 ist solch eine reduzierte Chorgröße von 12 bis 20 Sängern die Regel. Entfacht wurde die Frage nach der Besetzung vor allem von Andrew Parrott, der im Anschluss an Rifkin die Auffassung vertrat, dass die Kantaten und großen Vokalwerke zu Bachs Zeit nicht mit einem Chor in heutigem Sinne, sondern in der Regel solistisch besetzt und nur selten durch Ripienisten verstärkt wurden. Andere Vertreter der historischen Aufführungspraxis wie Ton Koopman haben dieser These jedoch widersprochen und setzen nach wie vor einen kleinen Chor ein.
Der Text basiert auf dem 26. und 27. Kapitel des Matthäus-Evangeliums in der Übersetzung Martin Luthers sowie auf den Dichtungen von Christian Friedrich Henrici (genannt Picander) in den madrigalischen Stücken (Arien, Ariosi und freien Chören), dazu kommen die Passionschoräle. Nr. 36 liegt ein Zitat aus (Hld 6,1 LUT) zugrunde. In der Forschung besteht Konsens, dass Bach auf die Textgestalt Einfluss genommen hat. Er selbst hat wohl Choräle ausgewählt, da diese in Picanders Gedichtsammlung Ernst-Schertzhaffte und Satyrische Gedichte (Bd. 2, Leipzig 1729) fehlen. Picander wiederum hat etwa bei der Hälfte seiner Gedichte auf Passionspredigten von Heinrich Müller zurückgegriffen, den Bach anscheinend sehr schätzte und von dem fünf Bände in seiner Bibliothek vertreten waren.
Die Choräle stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Acht der insgesamt 15 Liedstrophen stammen von Paul Gerhardt.
In der Matthäus-Passion arbeitet Bach vielfach mit musikalischen Symbolen, die im allgemeinen Bewusstsein seiner Zeitgenossen verankert waren. So werden etwa bei den Rezitativen die Worte Jesu stets im Arioso von gehaltenen Streicherakkorden begleitet, die das Göttliche symbolisieren. Die handelnden Menschen hingegen werden lediglich durch den Generalbass gestützt. Erst als Jesus am Kreuz die letzten Worte spricht und seine Gottverlassenheit beklagt, verstummen die Streichinstrumente (Nr. 71).
Bach erweist sich als Ausleger der Bibel, dessen Komposition eine reflektierte theologische Deutung widerspiegelt und als „klingende Predigt“ (praedicatio sonora) angelegt ist. Die heute überladen wirkende, bilderreiche Ausdrucksweise der Arien geht möglicherweise auf Einflüsse des Pietismus zurück. Andererseits weist sie frömmigkeitsphänomenologische Ähnlichkeiten mit der ausgehenden lutherischen Orthodoxie auf, die sprachstilistisch nicht leicht vom Pietismus abzugrenzen ist. Bachs umfangreiche theologische Bibliothek umfasste 52 Bände, die neben Bibeln und den Werken Luthers umfangreiche Liedsammlungen und theologische Erbauungsliteratur der lutherischen Orthodoxie und des Pietismus enthielt.
Während Chor I die „Töchter Zions“ symbolisieren kann, steht Chor II für die Gläubigen, wie Picander selbst in seiner Textausgabe notiert. Den beiden Chören kommen in den sechs madrigalischen Stücken voneinander abgegrenzte Rollen zu. Chor I steht dem Passionsbericht nahe und erklärt diesen, während Chor II auf die Gegenwart des Zuhörers gerichtet ist und Fragen stellt. Von besonderer Eindrücklichkeit ist der Eingangschor, der die gesamte Botschaft theologisch und musikalisch bündelt und Klage, Trauer und Schuldbekenntnis zum Ausdruck bringt, aber auch die Aufforderung, Gottes Liebe und Geduld eingehend zu betrachten. Die pochenden Bässe, die Tonart e-Moll und der Tombeau-Rhythmus im 12/8-Takt unterstreichen den Ernst. Die dichte Polyphonie und die doppelchörige Anlage werden noch durch einen zusätzlichen Sopran („in ripieno“) gesteigert, der durch das bekrönende „O Lamm Gottes unschuldig“ die heilvolle Botschaft des Leidens Christi in Erinnerung ruft, der durch seinen stellvertretenden Tod die Schuld des Menschen getragen hat. Die „Töchter Zions/Jerusalems“ sind aus dem Hohelied Salomos bekannt und spielen in der christlichen Brautmystik eine große Rolle. Sie personifizieren Zuspruch und Anspruch des Passionsgeschehens und erscheinen zu Beginn des zweiten Teils (Nr. 36) mit einem wörtlichen Zitat aus (Hld 6,1 LUT). Aufs Ganze gesehen handelt es sich um personifizierte Einzelzüge, die im Dienst der Dramatisierung stehen, denen aber vor allem eine reflektierende Funktion zukommt.
Im Rückgriff auf alte theologische Deutungstraditionen der Passionsgeschichte Jesu werden nicht die Juden oder einzelne Personen als Verursacher des Leidens ausgemacht. „Es gibt weder eindeutig gute noch eindeutig schlechte Protagonisten, vielmehr sind alle Menschen gleichermassen Sünder. Die Jünger, Judas, Petrus sind nur Symbolgestalten für allgemeinmenschliches Verhalten“ (Zitat nach Bartelmus). So wird der Zuhörer schon im Eingangschor nicht nur aufgefordert, das Leiden Jesu zu betrachten, sondern sich auch der eigenen Sünde bewusst zu werden: „Seht den Bräutigam […] seht unsere Schuld“. Auf die Aufforderung Jesu zur Wachsamkeit wird im Accompagnato Nr. 25 das Gewissen des Hörers angesprochen: „Ach! meine Sünden haben dich geschlagen; ich, ach Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet“. Die Verleugnung und Reue des Petrus kommentiert die Arie Nr. 47: „Erbarme dich, mein Gott, um meiner Zähren willen“. Die Aussage vom Tod Jesu („und verschied“) nimmt der Choral Nr. 72 („Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir“) zum Anlass, für die eigene Todesstunde Gott um seinen Beistand zu bitten. Wie bereits in der Johannes-Passion geschieht die betrachtende Aktualisierung des historischen Berichts nicht mittels mystischer Verschmelzung der Zeithorizonte oder einer emotionalen Erschütterung des Hörers, sondern durch ein andächtiges Betrachten und Bedenken des biblischen Wortes.
Die tiefste Erklärung des Leidens bietet die betrachtende Arie Nr. 58 „Aus Liebe“, die in der symmetrischen Konzeption der Frühfassung die Stelle im Zentrum einnimmt. Die innige Verbindung zwischen dem Heiland und dem frommen Ich des Hörers findet ihre Begründung in dem freiwilligen Opfertod Jesu aus Liebe. Durch die zarte Besetzung mit Traversflöte und zwei Oboen da caccia ohne Continuo („Bassettchen“) und die Tonart a-Moll, die kein Vorzeichen aufweist, wird der reine, engelgleiche Charakter der Arie unterstrichen und die himmlische Liebe und Unschuld Jesu symbolisiert. Der Kontrast zum folgenden Chor „Laß ihn kreuzigen“ (Nr. 59), der gegenüber dem ansonsten identischen Chor Nr. 54 noch um einen Ganzton erhöht ist, kann größer nicht sein. Wie die unbändige Wut der Volksmasse sich steigert, wird dargestellt durch die Zunahme von Kreuzen als Vorzeichen, bis hin zu Cis-Dur, das sieben Kreuze aufweist. In strenger Polyphonie einer Fugenexposition fordern die Einzelstimmen, die vom Bass bis zum Sopran nacheinander aufsteigen, „gleichsam gesetzmäßig formuliert, in erbarmungsloser Härte die Höchststrafe“ (Zitat nach Platen). Unterstrichen wird der Affekt durch die Kreuzmotivik in der Melodieführung, die Synkopenbildungen und die verminderten Quart- und Quintsprünge (der Tritonus steht für den diabolus in musica).
Bach setzt Musik und Text im Sinne der musikalischen Rhetorik in Beziehung. Basierend auf der im Barock allgemein verbreiteten Affektenlehre wird der grundlegende Charakter eines Stücks durch die musikalische Form, Tempo, Dynamik, Tonartencharakteristik, rhythmische Gestaltung und Besetzung bestimmt, während die Bedeutung einzelner Wörter durch rhetorische Stilfiguren musikalisch zum Ausdruck gebracht wird. So werden in der Arie Nr. 10 auf die Worte „Buß und Reu“ (Takt 13 f., 15 f., 30 und 31) der Saltus duriusculus und der Passus duriusculus eingesetzt, um durch die überraschend dissonanten, übermäßigen Intervallsprünge die seelische Zerknirschung hörbar werden zu lassen. Bei den Worten „äußert und kam auf Erden“ in Nr. 35 lässt Bach die Melodie über den Tonraum einer Dezime in Sekundschritten absteigen, während der Generalbass 15 Tonschritte hinabsteigt, um nicht nur den Abstieg Christi aus der himmlischen Welt, sondern damit auch seine Erniedrigung und Demütigung zu veranschaulichen. Die kreisende Melodiebewegung der Circulatio auf den Wörtern „gefangen“ in Nr. 33 illustriert die Unbeweglichkeit Jesu bei seiner Gefangennahme, unterstrichen durch die Ketten von übergebundenen Notenfolgen. Der gegensätzliche rhythmische Charakter in der Arie „Geduld“ (Nr. 41) prägt die beiden kontrastierenden Figuren der Hypotyposis. Das Wort „Geduld“ verdeutlicht Bach hierbei mit einer ruhigen Achtelbegleitung sowie einer übergebundenen und durch Vorhalte verzögerten Melodiestimme; die Begleitung des Texts „falschen Zungen“ versieht er hingegen mit ungestümen Punktierungen.
Die ungleichstufige wohltemperierte Stimmung im Barock führte zu unterschiedlich rein klingenden Tonarten, woraus eine Tonartencharakteristik entwickelt wurde, die die verschiedenen Tonarten den unterschiedlichen Affekten zuordnete. So ist nach Bachs Zeitgenossen Johann Mattheson e-Moll tieffdenckend / betrübt und traurig […] doch so / daß man sich noch dabey zu trösten hoffet (vgl. den Eingangschor „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen“ und Nr. 33 „So ist mein Jesus nun gefangen“), G-Dur ist so wol zu serieusen als munteren Dingen gar geschickt (vgl. Nr. 19 „Ich will dir meine Herze schenken“), h-Moll ist bizarre, unlustig und melancholisch (vgl. Nr. 30 „Ach! nun ist mein Jesus hin!“ und Nr. 47 „Erbarme dich“), c-Moll ist ein überaus lieblicher dabey auch trister Tohn (vgl. den Schlusschor „Wir setzen uns mit Tränen nieder“).
Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die insbesondere ausgeprägte zahlenmystische Elemente in der Matthäus-Passion zu erkennen glauben, jedoch dürfte zumindest ein Teil von ihnen auf Zufällen beruhen. So lassen sich in der Erdbebenszene (Nr. 73) die 190 eruptiven Zweiunddreißigstel im Continuo in drei Gruppen von 18, 68 und 104 Noten aufteilen, was den Nummern der drei Psalmen entspricht, in denen von Erdbeben die Rede ist: (Ps 18,8 LUT), (Ps 68,9 LUT) und (Ps 104,32 LUT). Die insgesamt 365 Worte Jesu werden als Anspielung auf den Abschluss des Matthäusevangeliums gedeutet, wo Jesus seinen Jüngern verspricht „alle Tage“ bei ihnen zu sein (Mt 28,20 LUT). In den 14 Chorälen und 28 (2×14) freien Dichtungen von Picander entdeckt man eine Anspielung auf den Namen Bach, dessen Buchstabenwert in der Summe 14 ergibt (A=1, B=2, C=3, H=8). Auch habe sich Bach durch die 14 Bassnoten im Bekenntnis des Hauptmanns (Nr. 73 „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen“) selbst unter das Kreuz stellen und mit einstimmen wollen.
Ein weiteres Beispiel ist der Chor Nr. 15: Im dazugehörenden, vorangehenden Rezitativ spricht Jesus: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“ Im folgenden aufgeregten Chor antworten die Jünger in einem wilden Durcheinander elf Mal mit der Frage: „Herr, bin ich’s, bin ich’s?“ Dass diese Frage elf Mal wiederholt wird – und nicht zwölf Mal, wie es der Anzahl der anwesenden Apostel entspräche –, kann so verstanden werden, dass Judas, im vollen Bewusstsein seiner Schuld, zunächst nicht wagt, seinem Herrn diese Frage zu stellen. Erst im folgenden Rezitativ fragt Judas als zwölfter Jünger: „Bin ich’s, Rabbi?“
Die Nummern im Artikel folgen dem Bach-Werke-Verzeichnis. Zum Vergleich werden die entsprechenden Nummern aus der Neuen Bach-Ausgabe in der zweiten Spalte angeführt. In der letzten Spalte gibt das Incipit den Anfang des Gesangtextes an.
Die verschiedenen musikalischen Formen werden entsprechend der Farblegende hervorgehoben. Bei Kombinationsformen (beispielsweise Arie + Choral oder freier Chor) erscheint die zweite entsprechenden Farbe in derselben Zeile.
Die Liste bietet eine Auswahl einflussreicher Aufnahmen auf Tonträgern und berücksichtigt insbesondere die gegenwärtig im Handel erhältlichen.
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Matthäus-Passion (BWV 244) • Johannes-Passion (BWV 245) • Lukas-Passion (BWV 246) (Bachs Urheberschaft infrage gestellt) • Markus-Passion (BWV 247)
Himmelfahrtsoratorium (BWV 11) • Weihnachtsoratorium (BWV 248) • Oster-Oratorium (BWV 249)