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Arrangement für: Tasteninstrumente(2)

Komposition: Die Kunst der Fuge

Komponist: Bach Johann Sebastian

Arrangeur: Werner Icking

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Fuga, alio modo Fuga. For 2 Keyboards (Icking). Complete Score PDF 0 MBFuga, alio modo Fuga. For 2 Keyboards (Icking). Piano 1 PDF 0 MBFuga, alio modo Fuga. For 2 Keyboards (Icking). Piano 2 PDF 0 MB
Wikipedia
Die Kunst der Fuge ist ein von Johann Sebastian Bach komponierter Zyklus von vierzehn Fugen und vier Kanons (BWV 1080).
Mit dem Werk solle anschaulich vermittelt werden, so der erste Bach-Biograph Johann Nikolaus Forkel, „was möglicher Weise über ein Fugenthema gemacht werden könne. Die Variationen, welche sämmtlich vollständige Fugen über einerley Thema sind, werden hier Contrapuncte genannt“.
Um die kontrapunktische Struktur des Werkes zu verdeutlichen, hat Bach jede Stimme – alle vorkommenden Fugen, Doppelfugen, Spiegelfugen usw. sind höchstens vierstimmig – auf einem eigenen Notensystem, also in Partiturform, ausgeschrieben. Zugleich folgte er damit der alten Tradition, polyphone Tastenmusik in Partitur zu notieren, welche ihre Blüte im 17. Jahrhundert erlebt hatte und Werke namhafter Komponisten wie Frescobaldi, Scheidt, Froberger, Buxtehude und Kerll aufweist.
Das fragmentarisch überlieferte Werk Bachs bietet bis heute Anlass nicht nur zu vielfältigen Spekulationen, sondern ist auch Gegenstand werkanalytischer, musikgeschichtlicher und quellenkritischer Untersuchungen. Die anhaltende Diskussion thematisiert dabei vor allem die Frage der vorgesehenen Instrumente, der Abfolge der einzelnen Sätze sowie der Unabgeschlossenheit dieses Werkes.
Grundthema
Wie die Goldbergvariationen und das Musicalische Opfer ist Die Kunst der Fuge eine Sammlung von Kompositionen über ein bestimmtes Thema, dessen Möglichkeiten systematisch erforscht werden. Sie besteht aus 14 „Contrapunctus“ genannten drei- und vierstimmigen Fugen und vier zweistimmigen Kanons. Als Besonderheit sind die Contrapunctus 12 und 13 doppelt vorhanden; in einer „recto“ genannten Urform und einer „inverso“ genannten Spiegelform.
Bach verwendet in der Kunst der Fuge nicht nur verschiedene Fugenarten (Einfache Fuge, Gegenfuge, Doppelfuge, Spiegelfuge, Kanon) sowie deren herkömmliche Verarbeitungsformen (Umkehrung, Vergrößerung/Augmentation und Verkleinerung/Diminution), sondern zusätzlich weitere, allgemeinere musikalische Gestaltungsmittel. So liegen den einzelnen Fugen eine oder mehrere Kompositionsideen (Überbindung, Punktierung, Triolen, intensive Chromatik, Sprungfiguren mit bevorzugten Intervallen, schnelle 16-tel Bewegung usw.) zugrunde. Auch das Fugenthema selber ist Veränderungen unterworfen (rhythmische Umgruppierungen, eingefügte bzw. weggelassene Noten), die über die oben genannten herkömmlichen Verarbeitungsformen der Fuge hinausgehen. Damit erreicht Bach eine Ausdrucksvielfalt, welche der Sicht des Werkes als reines Demonstrationsobjekt kontrapunktischer Kunst entschieden widerspricht.
Das Werk beginnt mit drei einfachen vierstimmigen Fugen, bei denen das Fugenthema selbst relativ unverändert bleibt.
Contrapunctus I: Nachdem die Gegenstimme den Tonraum von d nach a in aufsteigenden Vierteln durchschritten hat, geht sie zur Achtelbewegung über, welche im Verlauf des Stückes in verschiedenen Stimmen ständig präsent ist ( Hörbeispiel CP 1). Hauptmerkmal dieser Fuge ist das Prinzip der Überbindung (schon in Takt 4 des Themas vorgegeben) und der darauf folgenden Abstoßung. Dabei wird der überbundene Ton der ersten Stimme von dem Ton der zweiten Stimme dazu bewegt, sich zu einem neuen Ton fortzubewegen, der nun erneut überbunden werden kann. Durch den Einsatz von Vorhaltsdissonanzen, wie in Takt 6–7 (das gis macht das f zur Dissonanz, und zwingt es über die Sprungnote h zur Auflösung in das e) wird dies Verfahren noch intensiviert. Diese Technik garantiert damit ein beständiges Fließen der Stimmen.
In Contrapunctus II wird das rhythmische Element gesteigert. Er ist durch einen durchgehenden punktierten Achtelfluss gekennzeichnet, der schon in Contrapunctus I (Takt 10–14, Takt 22–29 usw.) angedeutet wurde ( Hörbeispiel CP 2). Zusätzlich ist das Thema hier in seinem letzten Takt leicht verändert (punktiert). Durch diese Mittel bekommt die Fuge einen sehr energischen Charakter.
Mit Contrapunctus III, der mit der Umkehrung des Themas beginnt, wird der bisher dominierende diatonische Bereich verlassen und zum ersten Mal intensiver Gebrauch vom Gestaltungsmittel der Chromatik gemacht, einem musikalischen Mittel, das zu Bachs Zeit mit den Bereichen des Leidens und des sündigen Menschen im christlichen Sinn assoziiert wurde. Die Chromatik beginnt mit dem letzten Ton des Themas, der die Tonfolge e-f-dis-d-cis-c-h-c-d-dis-e-f-g der Gegenstimme einleitet ( Hörbeispiel CP 3). Die chromatisch geprägte Gegenstimme tritt in Folge bei jedem Themeneinsatz als Kontrasubjekt auf. Als Beispiel sei der von chromatischen Durchgängen geprägte Takt 55–56 genannt, bei der eine auf Contrapunctus V vorausweisende rhythmische Abwandlung des Themas im Alt von einem langen chromatischen Durchgang im Tenor begleitet wird.
Contrapunctus IV mit Themeneinsatz in der Umkehrung hat dagegen einen betont gelösten, freudigen Charakter ( Hörbeispiel CP 4). Dies wird durch den häufig erklingenden fallenden Terzsprung wie in Takt 54–56, die Hervorhebung von Dreiklängen (Takt 23–26) sowie eine auf die Musik der Klassik vorgreifende Periodik in Vor- und Nachsatz erreicht.
Mit Contrapunctus V beginnt die Gruppe der vierstimmigen Gegenfugen, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass der Comes als Umkehrung des Dux auftritt. Zum ersten Mal wird das Thema einer Verwandlung unterworfen. Es wird rhythmisch leicht verändert, indem zwischen drei Töne des Originalthemas kurze Durchgangsnoten eingefügt werden ( Hörbeispiel CP 5).
Während sich Contrapunctus V in seiner Beschränkung auf zum Teil überbundene Achtelwerte eher an Contrapunctus I anlehnt, werden in Contrapunctus VI abwechselnd Achtel, punktierte Achtel, Sechzehntel und Zweiunddreißigstel eingesetzt. Dies ist typisch für den Eingangssatz einer Französischen Ouvertüre; durch die Überschrift In Stylo Francese wies Bach ausdrücklich darauf hin, dass der Satz entsprechend zu spielen ist ( Hörbeispiel CP 6). Bach führt nun auch die Verkleinerung (also das Thema im doppelten Tempo) ein und tut dies witzigerweise schon in einem „verfrühten“ Einsatz des Comes in Takt 2, bevor der Dux beendet ist.
Contrapunctus VII beschließt dann die Gruppe der Gegenfugen. Er ist durch den Einsatz der Vergrößerung (Augmentation: Halbierte Notenwerte und damit halbes Tempo) und Verkleinerung (Diminution: Doppelte Notenwerte, also doppeltes Tempo) gekennzeichnet (Notenbeispiel).
Contrapunctus VIII eröffnet eine Gruppe von vier Doppelfugen, bei denen zwei Themen sowie ein oder zwei Kontrasubjekte nacheinander oder gleichzeitig vorgestellt und verarbeitet werden. Das erste spielerische Thema des dreistimmigen Contrapunctus VIII, der zwei Themen und ein Kontrasubjekt verarbeitet (Tripelfuge), ist durch zwei, von chromatischen Gängen unterbrochene Quartsprünge gekennzeichnet ( Hörbeispiel CP 8). Es ist das erste neue, vom Grundthema wesentlich abweichende Thema des Zyklus. Es steht vom Ausdruck her in starkem Gegensatz zum zweiten Thema, einer unruhigen, von Chromatik und Tonrepetitionen geprägten Sechzehntelfigur. Beide Themen werden dem Hörer in Contrapunctus XI erneut begegnen.
Contrapunctus IX beginnt mit einem Oktavsprung, der in Contrapunctus XIII wieder aufgegriffen wird, dem ein auf- und absteigender Sechzehntellauf folgt ( Hörbeispiel CP 9). Auch wenn man es dem Thema nicht anmerkt, so weist es doch eine entfernte Verwandtschaft mit dem Grundthema des Werkes auf (im Notenbeispiel blau umrandet). Dieses erscheint als zweites Thema und stellt mit seinen langen Notenwerten einen starken Gegensatz zum ersten Thema dar.
Das erste Thema des 4-stimmigen Contrapunctus X nimmt das von Pausen durchsetzte Achtelthema von Contrapunctus XI in Vierteln vorweg ( Hörbeispiel CP 10). Es ist damit das erste Thema des Werkes, das die Pause als Gestaltungsmittel verwendet. Das zweite punktierte Thema stammt aus Contrapunctus V.
Der die Gruppe der Doppelfugen abschließende vierstimmige Contrapunctus XI ist eine der komplexesten Fugen Bachs. Sie verarbeitet zwei Themen und zwei Kontrasubjekte (Quadrupelfuge) und besticht durch ihre Ausdruckskraft. Sein erstes Thema aus Achtelwerten mit Pause am Taktbeginn entspricht dem Modell der Suspiratio (Seufzer) aus der barocken Figurenlehre ( Hörbeispiel CP 11). Von zwei Noten abgesehen (im Beispiel blau), enthält es die Noten des Grundthemas. Das zweite Thema ab Takt 27 ist die Umkehrung des Themas aus Contrapunctus VIII. Zu ihm gesellt sich ein chromatisch ansteigender Gegensatz. Ein zweiter Gegensatz, der mit umgekehrter Bewegungsrichtung schon in Contrapunctus VIII erschien, begleitet ihn (ab Takt 90). Gegen Ende der Fuge (Takt 158 – 167) wird sogar schon die Spiegelungsform der mit dem folgenden Contrapunctus beginnenden beiden Spiegelfugen angedeutet.
Mit Contrapunctus XII erscheint die erste von zwei Spiegelfugen. Unter einer Spiegelfuge wird hierbei verstanden, dass der gesamte Satz anschließend mit umgekehrten Intervallen wiederholt wird (das Partiturbild lässt manchmal bei Laien die Vorstellung entstehen, beide Versionen sollten gleichzeitig erklingen). Das Thema besteht exakt aus den Tönen der Grundgestalt. Die Zweiteiligkeit des Satzes und der Dreiertakt lassen eine stilisierte Sarabande assoziieren. Die kontrapunktische Komplexität der Aufgabe führte Bach dazu, den Satz für zwei Cembali zu konzipieren.
Die dreistimmige Spiegelfuge Contrapunctus XIII greift den bereits angedeuteten tänzerischen Charakter auf und präsentiert sich als Gigue, bei der Bach fast immer zu Beginn des zweiten Teils das Thema umkehrt. Nach einem Oktavsprung, der schon in Contrapunctus IX auftaucht, geht das Thema für drei Takte in eine Sechzehnteltriolenbewegung über. Im weiteren Verlauf wechselt diese Triolenbewegung immer wieder mit punktierten Sechzehnteln ab. Da auch dieser Satz die Möglichkeiten eines einzelnen Tasteninstruments überfordert, fügte Bach in einer weiteren Fassung eine freie vierte Stimme hinzu, die den Satz nun auf zwei Cembali spielbar macht.
Es folgen nun vier virtuose zweistimmige Kanons, die fragmentarisch überlieferte Schlussfuge und abschließend – wenn man ihn als dazugehörig betrachtet – der Choral Vor Deinen Thron tret ich hiermit (von Bach selbst in die Sammlung Achtzehn Choräle eingereiht).
Nachdem in der letzten Fuge das B-A-C-H-Thema eingeführt und mit den beiden anderen Themen kombiniert wurde, bricht das Manuskript ab. Es enthält in der Handschrift von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel Bach die Anmerkung: „NB: ueber dieser Fuge, wo der Nahme B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist Der Verfaßer gestorben.“ Bachs Schüler Johann Friedrich Agricola schreibt dazu 1754 im Nekrolog (und bezeichnet wohl die einzelnen Abschnitte des Schlusssatzes als 'Fugen'):
„Dies ist das letzte Werk des Verfassers, welches alle Arten der Contrapuncte und Canonen, über einen e i n t z i g e n Hauptsatz enthält. Seine letzte Krankheit hat ihn verhindert, seinem Entwurfe nach, die vorletzte Fuge völlig zu Ende zu bringen, und die letzte, welche 4 Themata enthalten, und nachgehends in allen Stimmen Note für Note umgekehrt werden sollte, auszuarbeiten.“
Im Vorwort zur Erstausgabe schrieb Friedrich Wilhelm Marpurg:
„Es ist nichts mehr zu bedauern, als daß selbiger durch seine Augen-Krankheit, und den kurz darauf erfolgten Tod außer Stande gesetzet worden, es selbst zu endigen und gemein zu machen. Er wurde von demselben mitten unter der Ausarbeitung seiner letzten Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes nahmentlich zu erkennen giebet, überraschet.“
Philipp Spitta und Albert Schweitzer waren überzeugt, dass die Schlussfuge nicht zur „Kunst der Fuge“ gehört, weil sie (angeblich) das Grundthema nicht enthält. Nottebohm stellte 1880 dagegen fest, dass das Grundthema gleichzeitig mit dem das Fragment beendenden Tripelkomplex erklingen kann, der dadurch zum Quadrupelkomplex würde. Aus allen diesen Gründen wurde seitdem oft angenommen, dass die im Original „Fuga á 3 soggetti“ genannte Fuge eine Quadrupelfuge mit dem Grundthema als viertes Thema werden sollte. Otfried Büsing konnte jedoch nachweisen, dass dem mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so war und Nottebohm Unrecht hatte. Das erste Thema der Schlussfuge ist dem Grundthema des Zyklus nämlich bei genauer Untersuchung ebenso ähnlich wie die anderen Varianten aus der „Kunst der Fuge“ auch. Es gibt kein einziges Beispiel in Bachs Œuvre, dass er in einer Mehrfachfuge Themen mit derart ähnlichen Themenköpfen verwendet hätte. Hinzu kommt, dass das Grundthema nicht perfekt in den Quadrupelkomplex passt, denn nach den Gesetzen des Kontrapunkt ist gerade sein Erscheinen im Bass – was Bach am Fugenende immer wichtig war – problembehaftet. Nottebohms Entdeckung verlor zusätzlich an Schlagkraft, als festgestellt wurde, dass zahlreiche andere Bach-Themen ebenfalls und teilweise sogar besser passen – es ist also eher Zufall. Ein Erklingen des Grundthemas als Apotheose am Schluss entspräche zudem einem zyklisch-finalen Element, das zwar bei Bruckner üblich, zur Bach-Zeit aber unbekannt war. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, wie weit die Komposition fortgeschritten war. Viele Wissenschaftler, allen voran Christoph Wolff, meinen – und das durchaus mit starken Argumenten – dass die Schlussfuge bereits fertig gewesen sein muss. So ist sie auf anderem Papier als der vorangegangene Teil geschrieben und zwar auf der Papiersorte, die Bach normalerweise für Stichvorlagen verwendete, noch dazu mit kalligraphischer Sorgfalt, was ein sehr deutlicher Hinweis auf ein bereits fertiges Werk ist. Die letzten Takte 227–239, nach denen das Manuskript abbricht, sind dagegen auf einer anderen Papierart und das Blatt ist derart nachlässig rastriert, dass es von vornherein nur für wenige Takte brauchbar gewesen wäre. Wahrscheinlich konnte Bach krankheitshalber die Stichkopie nicht selbst fortführen und die wenigen Takte waren als Vorlage für einen Kopisten gedacht, der ab dieser Stelle auf eine Handschrift mit dem Finale zurückgreifen konnte, die verloren gegangen ist. Auffallend ist, dass die gesamte Schlussfuge im Gegensatz zu allen anderen Sätzen des Werkes nicht in Stimmenpartitur, sondern in zweizeiliger Klaviernotation geschrieben ist. Das spricht mit dafür, dass diese Fuge als Bachs Jahresbeitrag für die Mizlersche „Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften“ gedacht war (s. u.), was auch die Anfertigung der Stichvorlage erklären würde. Es wurde verschiedentlich versucht, die Schlussfuge zu vollenden; Walter Kolneder zählte bereits bis 1977 zwanzig derartige Ansätze, z. B. von Donald Francis Tovey. An neueren Versuchen ist der von Zoltán Göncz beachtenswert, auch Helmut Walcha, Kalevi Aho, Rudolf Barschai, Maurits Reynen, Henryk Dyhr und Tudor Saveanu stellten jeweils eigene Ergänzungen fertig. Glenn Gould hielt diese Fuge für das Schönste, was es jemals in der Musik gegeben hat.
Vorarbeiten ab ca. 1740, autograph überlieferte Frühfassung um 1742 bis etwa 1746, Beginn der Drucklegung wahrscheinlich Frühjahr 1748, Autograph der unvollendet überlieferten Schlussfuge nach August 1748 bis Mitte Dezember 1749, Erstdruck 1751 und 1752. Der Titel „Die Kunst der Fuge“ stammt aus dem Erstdruck, während die autographe frühere Fassung den davon nur im letzten Buchstaben abweichenden Titel „Die Kunst der Fuga“ trägt, geschrieben von Bachs Schüler Johann Christoph Altnikol. Aufgrund des Fehlens eines eigenschriftlichen Werktitels hat man den überlieferten Titel angezweifelt; andererseits sprechen zahlensymbolische Überlegungen für die Echtheit der durch Altnikol überlieferten Titelvariante.
Erst seit 1726 lässt sich ein Interesse Bachs für den Druck seiner Kompositionen nachweisen. Zwei Kantaten – Gott ist mein König von 1708, und das heute verschollene Pendant von 1709 –, die er zum Ratswechsel der Stadt Mühlhausen komponiert hatte, waren die einzigen Veröffentlichungen vor der Leipziger Zeit gewesen; ihr Druck ging vermutlich auf die Initiative der Mühlhauser Ratsversammlung zurück. 1731 veröffentlichte Bach die sechs Partiten für Cembalo als sein Opus 1, später die gesamte vierbändige Clavier Ubung, das Musicalische Opfer und die sechs sogenannten Schüblerchoräle. Er versuchte offenbar vor allem einen kleineren Kreis von Spezialisten zu erreichen, daher enthalten die Drucke durchweg Musik für Tasteninstrumente (abgesehen von der Triosonate aus dem Musicalischen Opfer). Ein Druck von Bachs Leipziger Kantaten (der ja ein Stimmendruck sein musste) hätte theoretisch interessierten Musikern wenig genützt, da diese Werke zu Bachs Lebzeiten nur unter seiner Leitung zur Aufführung kamen. Darüber hinaus pflegte Bach seinen Ruf als virtuoser Cembalist und Organist, den er auch durch den Druck von technisch außerordentlich schwer zu bewältigender Tastenmusik bestärkte. Folgerichtig schreibt der Nekrolog von 1754,
„[…] daß unser Bach der stärkste Orgel- und Clavierspieler gewesen sey, den man jemals gehabt hat. Es kann seyn, daß mancher berühmter [sic] Mann in der Vollstimmigkeit auf diesen Instrumenten sehr viel geleistet hat: ist er deswegen eben so fertig, und zwar in Händen und Füssen zugleich, so fertig als Bach gewesen. Wer das Vergnügen gehabt hat, ihn und andere zu hören, und sonst nicht von Vorurtheilen eingenommen ist, wird diesen Zweifel nicht für ungegründet halten. Und wer Bachens Orgel und Clavierstücke, die er, wie überall bekannt ist, in der grösten Vollkommenheit selbst ausführte, ansieht, wird ebenfalls nicht viel wider den obigen Satz einzuwenden haben.“
In dieser Reihe großer Veröffentlichungen für Tasteninstrument steht auch die erst nach Bachs Tod erschienene Kunst der Fuge. Bach beschäftigte sich in seinen letzten Lebensjahren mit der Komposition, nachweislich seit 1742. Es wird vermutet, dass der Druck als Jahresgabe für die Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften bestimmt war, der Bach 1747 beigetreten war und deren Mitglieder laut Statuten bis zu ihrem 65. Lebensjahr in jedem Juni ein „wissenschaftliches Werk“ im Druck vorzulegen hatten. 1747 hatte Bach als ersten Beitrag die Canonischen Veränderungen [über „Vom Himmel hoch“] vorgelegt, als zweiten 1748 vermutlich das Musicalische Opfer. Die rechtzeitige Fertigstellung der Kunst der Fuge zum Juni 1749, die Bachs letzter Beitrag vor der Erreichung des 65. Lebensjahres gewesen wäre, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach durch seine zunehmende Erblindung und durch zwei erfolglose Operationen des britischen Chirurgen John Taylor verhindert. Bach starb vor der Vollendung. Der Contrapunctus 14 bricht ab; allgemein wird angenommen, dass mit diesem Stück die Kunst der Fuge abgeschlossen gewesen wäre.
Die traditionelle Vorstellung von der Kunst der Fuge als dem Schwanengesang Bachs ist von der Forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend relativiert worden. Wie wir heute aufgrund diplomatischer Untersuchungen wissen, reicht das Werk zu einem erheblichen Teil mindestens bis in die Zeit um 1742 zurück. Nach einer 1983 veröffentlichten Studie wäre die Kunst der Fuge die Antwort auf jene Herausforderung, die Johann Mattheson 1739 in seinem Vollkommenen Capellmeister mit Blick auf seine eigene Fugensammlung Die wol-klingende Finger-Sprache mit der Hoffnung ausspricht, etwas dergleichen von dem berühmten Herrn Bach in Leipzig, der ein grosser Fugenmeister ist, ans Licht gestellet zu sehen. Diese These eines postulierten Zusammenhangs wird mit anderen Argumenten auch von Gregory Butler vertreten.
Eine abschließende Reinschrift der Kunst der Fuge ist nicht überliefert und hat wohl nie existiert. Die vier heute noch bekannten Autographen, von denen keines den Zyklus vollständig enthält, spiegeln meistens einen früheren Stand der Komposition. Sie liegen sämtlich in der Staatsbibliothek Berlin und sind in einem Konvolut zusammengefasst.
Der Erstdruck erschien vermutlich 1751 unter dem Titel „Die / Kunst der Fuge / durch / Johann Sebastian Bach / ehemahligen Capellmeister und Musikdirector zu Leipzig“; eine zweite Auflage, die einige Korrekturen enthält, 1752. Der Stecher war Johann Heinrich Schübler, der jüngere Bruder von Johann Georg Schübler, der 1748–1749 Bachs sogenannte „Schüblerchoräle“ gestochen und verlegt hatte.
Der Erstdruck enthält sämtliche bekannten Stücke der Kunst der Fuge in einer vom Hauptautograph abweichenden Reihenfolge; für drei (Contrapunctus 4 und die Kanons in der Dezim und der Duodezim) ist er die einzige Quelle. Er ist offensichtlich vom Herausgeber, als der Carl Philipp Emanuel Bach vermutet wird, in aller Eile zusammengestellt worden, da er Doppelfassungen enthält, die höchstwahrscheinlich nicht in die endgültige Sammlung gehören. Zum einen folgt auf Contrapunctus 13 eine Frühfassung des Contrapunctus 10, die erst mit Takt 23 beginnt; zum anderen bringt er gegen Ende vierstimmige Alternativfassungen der beiden Varianten des dreistimmigen Contrapunctus 13 „a 2. Clav:“, also für zwei Tasteninstrumente.
Die erste Auflage setzt vor den Notentext die
„Nachricht. Der selige Herr Verfasser dieses Werkes wurde durch seine Augenkrankheit und den kurz darauf erfolgten Tod ausser Stande gesetzet, die letzte Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes namentlich zu erkennen giebet, zu Ende zu bringen; man hat dahero die Freunde seiner Muse durch Mittheilung des am Ende beygefügten vierstimmig ausgearbeiteten Kirchenchorals, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stegereif in die Feder dictirert hat, schadlos halten wollen.“
Gemeint ist die vermutlich zwischen 1744 und 1747 entstandene Choralbearbeitung für Orgel „Wenn wir in hoechsten Noethen“ (BWV 668, eigentlich „Vor deinen Thron tret’ ich hiermit“), die als Schlussstück auf den Contrapunctus 14 folgt. Sie war also eindeutig von Bach nicht für die Kunst der Fuge vorgesehen, sondern ist von den posthumen Herausgebern angefügt worden.
A: Autograph (ohne Beilagen). Das Autograph hat mehrere Zählungen (Seiten, Blätter, Stücke), die nicht von Bach stammen. Die Zahlen in der Tabelle beziehen sich auf die Seitenzählung. ED: Erstdruck. BWV: Nummerierung innerhalb der Bachwerkeverzeichnis-Nummer 1080. Aus technischen Gründen sind die hochgestellten Ziffern des BWV durch normale mit Komma abgetrennte Ziffern wiedergeben.
Die endgültig von Bach vorgesehene Abfolge der einzelnen Stücke ist bis heute umstritten. Weder die Anordnung der Stücke im Hauptautograph noch die im Erstdruck wird als endgültig angesehen: Das Autograph bietet oft nur eine Frühfassung, auch mehrere Fassungen desselben Stücks (Contrapunctus 14); außerdem enthält es nicht den gesamten Bestand. Der Erstdruck ist offenbar ebenfalls nicht zuverlässig; auch in ihm stehen Mehrfachfassungen derselben Stücke, die wohl kaum in eine Veröffentlichung hatten eingehen sollen. Im Allgemeinen folgen die Anordnungsversuche dem Erstdruck bis Contrapunctus 11, obwohl dadurch die Contrapuncti 8 und 11, denen dieselben Themen zugrunde liegen und die im Autograph daher hintereinander stehen, auseinandergerissen werden (auch die Contrapuncti 6 und 7 beziehen sich thematisch aufeinander und stehen sowohl im Autograph als auch im Erstdruck hintereinander). Uneinigkeit besteht vor allem bei der Anordnung der rectus- und inversus-Versionen von Contrapunctus 13, der Kanons und des Contrapunctus 14, der von manchen Autoren als Schlussstück angesehen, von anderen vor die Kanons gesetzt wird.
Die Frage der Anordnung ist allerdings von untergeordneter Bedeutung. Die Kunst der Fuge ist nicht nach aufführungspraktischen Gesichtspunkten aufgebaut wie etwa eine Suite, die als Gesamtheit aufgeführt werden soll und deren einzelne Sätze daher nach den Prinzipien von Kontrast, (emotionaler) Dramaturgie usw. aufeinander folgen. Vielmehr stellt sie, ähnlich wie das Wohltemperierte Klavier oder das Musicalische Opfer eine Sammlung von Einzelstücken zu derselben kompositorischen Problemstellung dar. Eine Gesamtaufführung würde wohl die meisten Zuhörer überfordern. Deshalb hat Bach die Einzelsätze nicht nach dem Prinzip des Kontrastes zusammengestellt wie in einem zyklischen Werk üblich (z. B. ein langsamer Satz folgt auf einen schnellen), sondern nach dem Prinzip der Ähnlichkeit in Charakter und kompositionstechnischer Problemstellung. Beieinander stehen Stücke mit ähnlichem thematischen Material (die Contrapuncti 6 und 7, die recto- und inverso-Versionen der Contrapuncti 12 und 13 und – im Autograph – die Contrapuncti 8 und 11) und ähnlicher kompositionstechnischer Problemstellung (die einfachen Contrapuncti 1–4, die Spiegelfugen 5–7, die Contrapuncti mit mehreren Themen 8–11 – wozu eigentlich auch Contrapunctus 14 gehören würde –, die als ganze gespiegelten Contrapuncti 12 und 13 sowie die Kanons).
Weder im Bachschen Autograph noch im Erstdruck der Kunst der Fuge finden sich Angaben zur Instrumentierung des Werkes. Folglich wurde viel über die von Bach vermeintlich intendierte Instrumentalbestimmung spekuliert, starb der Komponist doch vor Abschluss der Drucklegung der Erstveröffentlichung.
Heute ist die Tasteninstrument-These wissenschaftlich nicht mehr ernsthaft umstritten. So führt etwa Christoph Wolff in seiner 1987 erschienenen Klavierausgabe des Bachschen Werkes aus:
„Die tasteninstrumentale Bestimmung der Kunst der Fuge ergibt sich […] nicht nur aufgrund ihres historischen Kontextes (Partiturnotation polyphoner Tastenmusik galt seit Scheidt und Frescobaldi als Konvention), sondern insbesondere aus ihrer Faktur, die konsequent auf Manualiter-Spielbarkeit Rücksicht nimmt.“
Neben der Spielbarkeit für zwei Hände gelten heute als wesentliche Argumente für ein Cembalowerk auch stilistische Kriterien, die namentlich Gustav Leonhardt herausgearbeitet hat. Den Standpunkt von Wolff und Leonhardt unterstützt auch ein neuerer Dokumentenfund, ein Subskriptionsaufruf vom 7. Mai 1751, wohl von Carl Philipp Emanuel Bach verfasst. Dieser führt zu Notation und Spielbestimmung des väterlichen Werkes folgendes aus:
„Da darinnen alle Stimmen durchgehends singen, und die eine mit so vieler Stärcke, als die andere ausgearbeitet ist: So ist iede Stimme besonders auf ihr eigenes Systema gebracht, und mit ihrem gehörigen Schlüssel in der Partitur versehen worden. Was man aber für besondere Einsichten in die Setz-Kunst, so wohl in Ansehung der Harmonie, als Melodie, durch Anschauung guter Partituren erlange, bezeigen dieienigen mit ihrem Exempel, die sich darinn hervorzuthun das Glück gehabt haben. Es ist aber dennoch alles zu gleicher Zeit zum Gebrauch des Claviers und der Orgel ausdrücklich eingerichtet.“
Die Kunst der Fuge wurde zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als die streng kontrapunktischen Kompositionsformen mit Aufkommen der „empfindsamen Musik“ der Vorklassik allmählich als „alter Zopf“ empfunden wurden. Man bewunderte diese Form der Komposition zwar noch und empfahl sie dem angehenden Komponisten wärmstens zum Studium. Einen darüber hinausgehenden musikalischen Wert begann man aber immer mehr in Zweifel zu ziehen. Dies musste natürlich die Kunst der Fuge stärker treffen als andere, mehr „weltliche“ Werke Bachs wie die Brandenburgischen Konzerte oder die Violinkonzerte. So schrieb sogar im Vorwort des Erstdrucks des Werkes der Musiktheoretiker Friedrich Wilhelm Marpurg, dass das Werk zwar aufs Trefflichste die Regeln der Fuge vermittle und es jedem angehenden Komponisten geraten sei, sich mit Fugen und Kontrapunkten vertraut zu machen; andererseits aber die Fuge heutzutage eine „Geburt des aberwitzigen Altertums“ sei, die aus der Kammermusik ganz ihren Abschied genommen habe, und der Kontrapunkt „den zärtlichen Ohren unserer itzigen Zeit barbarisch klinget“. Vom Erstdruck wurden nach Angaben des Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach in den ersten fünf Jahren nur dreißig Stück verkauft, was nicht einmal die Kosten für den Druck deckte. Der Bach-Biograph Forkel schrieb im Jahre 1802 dazu:
„Aber diese Bachische Kunst der Fuge war doch für die große Welt zu hoch; sie mußte sich in die kleine, mit sehr wenigen Kennern bevölkerte, Welt zurückziehen. […] Wäre ein Werk dieser Art außerhalb Deutschland von einem so außerordentlich berühmten Mann, wie Bach, zum Vorschein gekommen, und noch außerdem durch einen Schriftsteller, der in diesem Fache öffentlichen Glauben hatte, als etwas Außerordentliches empfohlen worden, so würden aus bloßem Patriotismus vielleicht 10 Prachtausgaben davon vergriffen worden seyn.“
Mattheson kommentierte die Erstausgabe des Werkes wie folgt:
„Joh. Sebast. Bachs so genannte Kunst der Fuge, ein praktisches und prächtiges Werk von 70 Kupfern in Folio, wird alle französische und welsche Fugenmacher dereinst in Erstaunen setzen; dafern sie es nur recht einsehen und wohl verstehen, will nicht sagen, spielen können. Wie wäre es denn, wenn ein jeder Aus- und Einländer an diese Seltenheit seinen Louisd'or wagte? Deutschland ist und bleibet doch ganz gewiß das wahre Orgel- und Fugenland.“
Diese verhaltene Aufnahme des Werks änderte sich im 19. Jahrhundert im Zuge der Wiederentdeckung des bachschen Werkes langsam. In der von Mozart stammenden Bearbeitung bachscher Fugen für Streichtrio (KV 404a) befindet sich auch der Contrapunctus VIII. In den Jahren 1801 und 1802 wurden zwei Partiturausgaben, eine davon mit einer Klavierumschrift aus zwei Systemen, in Paris und Zürich veröffentlicht. Die Orchesterschule der Sing-Akademie zu Berlin studierte 1813 und 1815 das Werk ein, ohne dass es jedoch zu einer öffentlichen Aufführung kam. 1838 erschien das Werk beim C. F. Peters Musikverlag in einer auf zwei Systemen notierten Ausgabe von Carl Czerny, der Fingersatz sowie Vortrags- und Tempobezeichnungen nach eigenen Vorstellungen hinzufügte. Bis 1874 wurden davon 20.000 Exemplare verkauft. 1868 entstand eine Ausgabe für Orgel, und 1875 eine Partiturausgabe in Originalschlüsseln. Komponisten wie Beethoven, Schumann, Bruckner und Brahms besaßen Druckversionen oder Handschriften. Außerdem entstanden nun auch theoretische Arbeiten zum Werk, wie die von Moritz Hauptmann (1841), James Higgs (1877), Hugo Riemann (1894). Dennoch gehörte die Kunst der Fuge nie zu den populärsten Werken Bachs. Albert Schweitzer, dessen Bach-Monographie von 1905 großen Einfluss auf das Bach-Bild der Zeit ausübte, widmete der Kunst der Fuge nur wenige Seiten und beschrieb ihr Hauptthema mit einer Mischung aus Faszination und merklicher Distanz wie folgt:
„Interessant kann man es [das Thema] eigentlich nicht nennen; es ist nicht einer genialen Intuition entsprungen, sondern mehr in Hinsicht auf seine allseitige Verwendbarkeit und in Absicht auf die Umkehrung so geformt worden. Und dennoch fesselt es denjenigen, der es immer wieder hört. Es ist eine stille, ernste Welt, die es erschließt. Öd und starr, ohne Farbe, ohne Licht, ohne Bewegung liegt sie da; sie erfreut und zerstreut nicht; und dennoch kommt man nicht von ihr los.“
Alban Berg hingegen schrieb nach einer Aufführung in Zürich 1928 an seine Frau Helene:
„Gestern Kunst der Fuge gehört. Herrlich!! Ein Werk, das bisher für Mathematik gehalten wurde. Tiefste Musik!“
Der Pianist Glenn Gould, der, wie oben erwähnt die Kunst der Fuge für eines größten Werke der Musikgeschichte hielt, sprach in einem späteren Urteil davon, dass sich Bach, der sich im Laufe seines Lebens immer weiter aus dem Erwartungskreis seiner musikalischen Umwelt heraus bewegt habe, mit dieser Komposition bewusst von der Musik seiner Zeit abgewandt habe. Bach habe zum Teil einen harmonischen Stil verwendet (z. B. in der unvollendeten Fuge), der eher dem flämisch-deutschen hymnischen Choral des 17. Jahrhunderts, mindestens 100 Jahre vor Bachs Zeit entspräche. Auf der anderen Seite bewunderte Gould die harmonische Kühnheit in der kontrapunktischen Ausführung, die phasenweise an Wagner und darüber hinaus sogar an die Atonalität eines frühen Schönberg, mehr als 150 Jahre später erinnere.
Die Kunst der Fuge galt bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts unangefochten als Klavierwerk, wenngleich als ein solches, das nicht eigentlich zur Aufführung, sondern vielmehr zum Studium bestimmt war. Das Werk habe „zunächst eine andere Tendenz als die blos ästhetische“, vermerkte Moritz Hauptmann 1841 einleitend in seinen Erläuterungen; es wolle „hauptsächlich ein belehrendes sein.“ Und sein Schüler Salomon Jadassohn stellte 1898 in seinen Erläuterungen der in Joh. Seb. Bachs Kunst der Fuge enthaltenen Fugen und Canons beiläufig fest: „Dass das ganze Werk für eine praktische Ausführung nicht gedacht ist, liegt auf der Hand.“
Den Bann gebrochen zu haben, der die Kunst der Fuge vom öffentlichen Musikleben fernhielt, ist das bleibende Verdienst Wolfgang Graesers. Seine Bearbeitung des Werks für großes Orchester, Orgel und Cembalo, uraufgeführt unter der Leitung des Thomaskantors Karl Straube am 26. Juni 1927 in der Thomaskirche in Leipzig, hat die Diskussion über die Instrumentalbestimmung der Kunst der Fuge erheblich beeinflusst. Ausführlich im Bach-Jahrbuch von 1924 begründet, ging diese Bearbeitung 1932 als Supplementband in die schon abgeschlossene Bach-Gesamtausgabe ein. Roswitha Schlötterer-Traimer bemerkt in ihrer Studie zur Kunst der Fuge hierzu:
„Damit war zum ersten Mal das Problem der Instrumentierung der Kunst der Fuge aufgetaucht. Graeser schlug in seiner Ausgabe Streichorchester und Solostreichquartett, Holz- und Blechbläser sowie Cembalo und Orgel vor, die die einzelnen Contrapuncte jeweils in verschiedenen Besetzungen ausführen sollte. […] Nach dem Abbrechen der fragmentarischen Quadrupelfuge wurde der Choral gespielt. Die Reaktion aus den Fachkreisen war zum großen Teil begeistert, zum Teil aber auch recht kritisch.“
Bis heute wird immer wieder mit den verschiedensten Besetzungen für fast jede denkbare Instrumentalgruppe experimentiert, von denen aber keine den historischen Gepflogenheiten entspricht.
Weitere Adaptionen
Zwischen 1935 und 1979 erschienen sechzig Schallplatten-Aufnahmen, die eine Reichhaltigkeit der klanglichen Interpretation bieten, wie sie bei keiner anderen Komposition vorkommt. Diese Vielfalt betrifft sämtliche Aspekte der musikalischen Realisierung, angefangen bei Detailfragen wie Artikulation und Phrasierung bis hin zu Instrumentation, Reihung und Tempo. Seit der Einführung der Compact Disc hat diese Vielfalt an Aufnahmen eine unübersehbare Dimension angenommen. Die ersten Aufnahmen des Werkes entstanden durch das Roth String Quartet (Columbia[US], aufgenommen 1934), Hermann Diener und sein Collegium Musicum (Electrola, 1935), den Organisten Edward Power Biggs (Victor, 1940) und den Organisten Fritz Heitmann (Telefunken, 1950) sowie Richard und Wesley Buhlig am Klavier.
Wichtige Orchestereinspielungen der folgenden drei Jahrzehnte stammen von Hermann Scherchen (1949, 1965), Ars Rediviva unter Milan Munclinger (1965, 1979), Kurt Redel (1958), Karl Münchinger (1965), Karl Ristenpart (1966), Helmut Winschermann (1974), George Malcolm (1965) sowie der Academy of St. Martin in the Fields unter Neville Marriner (1974). Unter den unzähligen Aufnahmen neuerer Zeit seien die von Hans Zender (1985), Reinhard Goebel und der Musica Antiqua Köln (1984), Erich Bergel (1991), Max Pommer und dem Neuen Bachischen Collegium Musicum Leipzig (1983) sowie die dynamisch expressive Einspielung von Rinaldo Alessandrini (1988) hervorgehoben. Die Besetzungsstärke ist dabei nicht einheitlich, und es werden zum Teil auch Cembalo und Klavier hinzugezogen. Hesperion XX verwendet gar Bläser (Zinken und Posaunen) in seiner Einspielung (2001). Vittorio und Vincenzo Ghielmi (Il Suonar parlante) realisieren 2008 eine Aufnahme mit Cembalo, Hammerklavier und Streichern (mit Vollendung der letzten Fuge und abschließendem Choral).
In wechselnder Besetzung existieren auch kammermusikalische Einspielungen. Die Bandbreite reicht dabei vom reinen Streichquartett, über diverse Streicherbesetzungen mit und ohne Cembali, Streichern und Holzbläsern, bis zu exotisch anmutenden Kombination (Oboe, Akkordeon und Fagott). Eine frühe Aufnahme (1962) stammt vom Collegium Aureum (4 Streicher und 2 Cembali). In der Folgezeit wurde das Werk von Ensembles wie dem Borciani String Quartett (1985), dem Juilliard String Quartet, dem Emerson String Quartet und dem Keller-Quartett eingespielt.
An Aufnahmen an der Orgel seien die von Helmut Walcha (1956), Glenn Gould (Teileinspielung) (1962), Johannes-Ernst Köhler (1969), Marie-Claire Alain (1974), Lionel Rogg, Herbert Tachezi (1977), Wolfgang Rübsam (1992) Louis Thiry (1993), Heinrich Walther (1995), Gerd Zacher (1999), Hans Fagius (2000), Bengt Tribukait (2008) und Gerhard Weinberger (2008) genannt.
Frühe Cembalo-Aufnahmen stammen von Gustav Leonhardt (1953 und 1969), Gunnar Johansen (1952) und Isolde Ahlgrimm (1953 und 1967 auf einem Pedalcembalo), spätere von Davitt Moroney (1985), Kenneth Gilbert (1989), den Holländern Ton Koopman (1993) und Pieter Dirksen (2002), von Robert Hill (1998), sowie von Matteo Messori (2008). Fabio Bonizzoni realisiert eine Cembalo-Einspielung nach dem Manuskript P 200 stellenweise mit einer 2. Spielerin (2011).
Erste Einspielungen am Klavier stammen von Josef und Grete Dichler (1954), Charles Rosen (1967) und Glenn Gould (1967). Später haben etliche Pianisten wie Grigori Sokolow (1982), Zoltán Kocsis (1984), Evgeni Koroliov (1990), Tatjana Nikolajewa (1992), Joanna MacGregor (1995), Edward Aldwell (1996), Pi-hsien Chen (2003), Ivo Janssen (2007), Pierre-Laurent Aimard (2008), Ron Lepinat (2009), Angela Hewitt (2013), Zhu Xiao-Mei (2014) sowie Schaghajegh Nosrati (2015) das Werk aufgenommen.
Außerdem existieren Aufnahmen für Saxophonquartett (Los Angeles Saxophone Quartet 1974, Berliner Saxophon Quartett 1990, Wiener Saxophon Quartett 2001), Blechbläser (Canadian Brass 1987), Synthesizer (Yūji Takahashi 1975, Alexander Blechinger 1990) sowie klassische Gitarre (József Eötvös 2002).
Seit 2006 ist auch eine Aufnahme mit einem Hammerflügel (Fortepiano vom Mozart-Typ) verfügbar, Pianist ist Walter Riemer.
2006 führte die slowenische Band Laibach auf dem Bachfestival in Leipzig eine elektronische Bearbeitung des Werkes auf. Die Aufnahme wurde 2008 als CD bzw. Download veröffentlicht.
Das Düsseldorfer Theater der Klänge führte im Rahmen des internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals (ido) im Jahr 2016 die Produktion Die Kunst der Tanz-Fuge auf, bei der vier Tänzer neben der Originalmusik auch zu einer Teil-elektronischen rhythmisierten Version tanzten (Bearbeitung: J.U. Lensing).
Chronologische Liste: